Ob Red Bull oder Tesla: Bei Konflikten um Wasser steht oft die Frage der Verbrauchsmenge im Vordergrund: Wieviel der Grundwasserreserven darf ein Industrieunternehmen lokal nutzen? Als 2023 die Konzerne Red Bull und Rauch die Brandenburger Urstromquellen in Baruth kauften, ging es vor allem um Entnahmemengen. Laut Vertrag mit dem Wasserversorger stehen den beiden Unternehmen 92 Prozent des in Baruth/Mark geförderten Trinkwassers zu – für die Versorgung der Bevölkerung bleiben gerade einmal 8 Prozent.[1] Red Bull und Rauch wollen die Produktion ihrer Energy Drinks nun ausweiten, eine Dosenfabrik und ein Logistikzentrum bauen. Anwohnende fürchten, dass dadurch ihre lokalen Grundwasserreserven aufgebraucht werden. Denn die Genehmigungen, die die Wasserfördermenge regeln, beruhen auf einem veralteten Grundwassergutachten von 2006, das Entwicklungen durch die Klimakrise der letzten 20 Jahre nicht abbildet. Zudem steht die Frage im Raum, ob im Fall von Wassermangel die Versorgung der Bevölkerung Vorrang vor den Verträgen mit Red Bull hätte.
Hohe Wasserentnahmen von Unternehmern hängen häufig auch mit den geringen Wasserpreisen für die industrielle Nutzung von Wasser zusammen – der Preis ist ein weiterer Konfliktherd rund ums Wasser. Die aktuellen „Wassernutzungsentgelte“ sind seit 2018 im Brandenburgischen Wassergesetz festgelegt: Während Wasser für die Wasserversorger 10 Cent pro Kubikmeter kostet, zahlen Unternehmen für Produktionszwecke gerade einmal 2,3 Cent pro Kubikmeter. Besonders wenig aber kostet das Wasser Unternehmen wie den Kohlekonzern LEAG in der Lausitz, die es zum Kühlen ihrer Kraftwerke nutzen – gerade einmal 0,58 Cent.[2]Dabei könnte ein höherer und einheitlicher Wasserpreis für Industrieunternehmen an der Spree zu einem geringeren Verbrauch führen und die angespannte Situation entlasten.[3]
Nicht nur Entnahmemengen und die Wasserpreise sorgen für Konflikte: In Grünheide sorgt sich eine lokale Bürgerinitiative um die Qualität ihres Grundwassers. Dort wurde die Tesla-Giga-Factory in einem Trinkwasserschutzgebiet errichtet. Die Gefahr: Bei Unfällen mit Lacken oder Chemikalien in der Produktion könnten Giftstoffe durch den Boden in den Grundwasserleiter sickern und das Trinkwasser für Millionen von Menschen in der Region und in Berlin verunreinigen. Ist das Grundwasser erst kontaminiert, dann ist eine Reinigung des Bodens nicht mehr möglich. Doch selbst wenn verunreinigtes Abwasser legal entsorgt wird, verursachen die darin enthaltenen Schadstoffe Konflikte. Der örtliche Wasserverband in Strausberg bemängelt, dass Tesla Grenzwerte stark und wiederholt überschreiten würde – und so dessen Reinigung schwieriger und teurer wird.
Oft kommen Informationen über industrielle Wasserverträge oder Schadstoffe im Grundwasser erst durch investigative Recherchen ans Licht. Ein Beispiel dafür ist der Schweigevertrag zwischen dem Frankfurter Wasser- und Abwasserverband (FWA) und dem Kohlekonzern LEAG. Der Frankfurter Wasser- und Abwasserverband (FWA) fürchtete aufgrund hoher Sulfatwerte im Zuge des Braunkohleabbaus um die öffentliche Trinkwasserqualität. Doch 2023 einigte er sich mit dem Kohlekonzern: die LEAG zahlte dem FWA fünf Millionen Euro für ein neues Wasserwerk. Im Gegenzug verpflichtete sich die Stadt und der Wasserversorger, nicht mehr über Gefährdungen der Trinkwasserqualität durch den Braunkohleabbau zu sprechen. Die Öffentlichkeit sollte nicht mehr informiert werden.[4] Auch in Baruth werden Wasserverträge geheim gehalten: der Wasserversorger und die Stadt informierten die Bürgerinnen und Bürger nicht über die Entnahmeverträge mit Red Bull und rechtfertigten dies mit dem „Geschäftsgeheimnis“ des Konzerns.[5]Auch dort kritisieren Anwohner*innen diese Geheimhaltungspolitik und fordern, dass sie ein Recht auf Wissen über ihre lebenswichtige Ressource haben.
Die angespannte Wassersituation in Brandenburg sorgt auch für Konflikte zwischen der Metropole Berlin und dem Brandenburger Umland. Zwar ist Berlin formell eine der wenigen Städte Deutschlands, die sich aus dem eigenen Stadtgebiet mit Wasser versorgen. Über 50 Prozent des Wassers stammt jedoch aus Uferfiltration, also der Spree und der Havel sowie einigen Seen. Um genug Wasser für die Millionen Menschen in Berlin zu fördern, ist die Stadt darauf angewiesen, dass Spree und Havel genug Wasser führen und eine gute Wasserqualität aufweisen. Gleichzeitig wächst die Einwohnerzahl von Berlin jedes Jahr weiter an. Für die heute schon fast vier Millionen Einwohner*innen fördern die Berliner Wasserbetriebe an der Grenze zu Brandenburg tendenziell immer mehr Wasser. Im Wasserwerk Friedrichshagen beispielsweise fördern die BWB ohne offizielle Bewilligung,[6] was zu zusätzlichem Wasserstress in den benachbarten Brandenburger Gemeinden führt. Der Wasserbedarf Berlins wird auch künftig zu Wasserkonflikten im Berliner Umland führen. Die Metropole wächst nicht nur, sondern plant auch den Bau großer Rechenzentren für neue Anwendungen mit künstlicher Intelligenz, die große Mengen an kühlendem Wasser benötigen. Das jedoch ist überall um Berlin knapp.
Bürgerinnen und Bürger werden bereits heute an vielen Orten gegen Wasserstress und Übernutzung aktiv. Da die Wasserversorgung in Deutschland eine kommunale Aufgabe ist, liegen hier auch die meisten Möglichkeiten, Veränderungen zu erwirken. In Grünheide hat sich eine Bürgerinitiative für den Schutz des Wassers und gegen den Bau der Tesla-Giga-Factory gegründet. Sie organisieren politische Waldspaziergänge, nehmen Einsicht in Entwicklungsunterlagen (B-Pläne), schreiben Einwendungen in Genehmigungsverfahren und beteiligen sich an öffentlichen Versammlungen des zuständigen Wasserverbands. Auch in Baruth sind Anwohnende vielfältig aktiv: Über das Informationsfreiheitsgesetz (IFG) versucht eine Bürgerin gemeinsam mit der Organisation „Frag den Staat“ per Klage Einsicht in die Geheimverträge zwischen der Kommune und Red Bull zu erhalten. Andere erkundigen sich in Stadtverordnetensitzungen und Bürgerfragestunden nach dem Wasserhaushalt und bringen ihre Kritik ein. Schlussendlich entscheiden die Stadtverordneten sowie Bürgermeisterinnen und Bürgermeister über die kommunalen Wassernutzungen. Eine wichtige Rolle im Schutz der Wasservorkommen nehmen auch regionale Umweltverbänden ein: Sie klagen Geheimverträge frei, schreiben Einwendungen in Planungsverfahren und informieren die Öffentlichkeit.
Grundsätzliche Aspekte wie der Vorrang der Bevölkerung im Fall von Wasserknappheit oder die (Veränderung von) Genehmigungen größerer Wasserentnahmen aber können nur auf Bundes- oder Landesebene entschieden werden. Brandenburg hat mit dem 2021 verabschiedeten Landesniedrigwasserkonzept[7] und dem Gesamtkonzept zur Anpassung an den Klimawandel im Politikfeld Wasser[8] bereits Grundsteine für ein besseres Wassermanagement gelegt – dazu gehören der Ausbau natürlicher Wasserspeicher und Moore, Anpassung von Stauanlagen, Grundwassermonitoring und Grundlagen der Genehmigungspraxis bei Knappheit. Die aktuelle Landesregierung hat sich zudem vorgenommen, das Brandenburgische Wassergesetz noch in dieser Legislaturperiode zu novellieren. Wichtige Ansatzpunkte bieten hier die Steuerungswirkung von höheren Wasserpreisen für Industrieunternehmen, eine klare Vorrangregelung für die Bevölkerung im Wassergesetz und eine behördliche Regulation von Konkurrenzen um die Wasserentnahme. Aktuell brauchen wir unsere unterirdischen Wasserspeicher in Brandenburg langsam auf. Um diesem Trend entgegenzuwirken, braucht es neben klugen Konzepten vor allem eine schnelle Umsetzung der Maßnahmen.
[1] Groß, Antonia, Matera, Elena (2025): Kampf ums Wasser. Red Bull verleiht Dürre, 29.3.2025, online abrufbar unter: https://taz.de/Kampf-ums-Wasser/!6076060/.
[2] Brandenburgisches Landeswassergesetz: https://bravors.brandenburg.de/gesetze/bbgwg/19#40. Unter Wassernutzungsentgelte.
[3] DIW Pressemitteilung vom 21. 05.2025: Höhere Wasserentgelte und Strukturreformen könnten Wasserknappheit an der Spree verringern, online abrufbar unter:
https://www.diw.de/de/diw_01.c.953841.de/hoehere_wasserentgelte_und_str…
[4] Joeres, Annika, Klob, Elena, Huth, Katharina: Verschmutztes Wasser: Kohlekonzern zahlt Schweigegeld, 23.09.2023, online abrufbar unter: https://correctiv.org/aktuelles/kampf-um-wasser/2023/09/23/wasser-gefae….
[5] Groß, Antonia, Matera, Elena (2025): Kampf ums Wasser. Red Bull verleiht Dürre, 29.3.2025, online abrufbar unter: https://taz.de/Kampf-ums-Wasser/!6076060/.
[6] BUND. Landesverband Berlin: Bald auf dem Trockenen? 21.08.2020, online abrufbar unter: https://www.bund-berlin.de/service/meldungen/detail/news/bald-auf-dem-trockenen/;
Abgeordnetenhaus Berlin: Drucksache 19 / 19 298: Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Julia Schneider (GRÜNE) vom 3. Juni 2024 zum Thema: Naturschutz und Trinkwasserförderung, online abrufbar unter: https://pardok.parlament-berlin.de/starweb/adis/citat/VT/19/SchrAnfr/S1…
[7] MLUK (2021): Landesniedrigwasserkonzept Brandenburg, online abrufbar unter:
https://mleuv.brandenburg.de/sixcms/media.php/9/Landesniedrigwasserkonzept-Brandenburg.pdf.
[8] Land Brandenburg (2022): Gesamtkonzept zur Anpassung an den Klimawandel im Politikfeld Wasser, online abrufbar unter: https://mleuv.brandenburg.de/sixcms/media.php/9/Gesamtkonzept-Wasser.pdf