Assisted Migration als Chance für den Waldumbau in Brandenburg

Die Erderwärmung schreitet schneller voran, als sich Baumarten an neue Bedingungen anpassen können. Deshalb überlegt die Forstwirtschaft, wie sie natürliche Wanderungsbewegungen unterstützen und beschleunigen kann.

Setzling auf Baumstumpf

Bisher galt in der Forstwirtschaft, dass lokal vorkommende Baumarten immer das beste Material für eine Verjüngung des Waldes bieten. Die globale Erhitzung stellt diesen Leitsatz nun infrage. Ihre Folgen für unsere Wälder sind bereits heute sichtbar. Immer wieder kommt es zu Waldschäden durch extreme Trockenheit, Stürme oder schweren Schädlingsbefall. Im Sommer 2022 haben zudem Brände, deren Ausmaß wir bisher allenfalls aus den Wäldern im Mittelmeerraum kannten, dem brandenburgischen Wald zugesetzt.

Folgen der Erderwärmung gefährden den brandenburgischen Wald

Besonders die von Monokulturen aus Nadelhölzern wie Fichte und Kiefer dominierten Wälder sind von solchen Ereignissen stark betroffen. Sie reagieren aus verschiedenen Gründen empfindlich auf die Veränderungen an ihrem Standort.

Anfällige Kiefermonokulturen machen in Brandenburg rund 73 Prozent der Waldfläche aus. Aber auch Eichen und die bisher als robust geltenden Rot-Buchen haben in den vergangenen Jahren in Brandenburgs Wäldern deutliche Schäden gezeigt.

Extremereignisse wie die oben genannten werden in Zukunft noch häufiger auftreten. Deshalb muss ein schneller und erfolgreicher Waldumbau in Brandenburg eines der wichtigsten forstpolitischen und waldbaulichen Ziele sein.

Unterstützte Wanderung von Baumarten als Chance

Eine Möglichkeit für einen an den Klimawandel angepassten Waldumbau ist die Assisted Migration. Bei dieser Strategie werden heimische oder auch bisher nicht heimische Baumarten aus trocken-warmen Regionen an neuen Standorten angesiedelt.

Dazu werden Saatgut oder Setzlinge aus einem ähnlichen Klima wie dem eingesetzt, dem der Baum im Zuge der Erderwärmung am neuen Standort in Zukunft ausgesetzt sein könnte. So wird die Zusammensetzung der Baumarten am neuen Standort gezielt so verändert, dass der sich verjüngende Wald optimal an das zukünftige Klima angepasst ist. Als besonders klimaresistente Baumarten gelten dabei Linde, Hainbuche und Ahorn.

Verschiedene Ebenen von Assisted Migration

Die Assisted Migration kann auf drei verschiedenen Ebenen stattfinden:

1. Unterstützte Wanderung von Baumarten innerhalb ihres ursprünglichen Verbreitungsgebietes (zum Beispiel Transfer von klimaresistenten Laubbaumarten in einen aktuell von Kiefernmonokulturen beherrschten Wald)

2. Gezielte Ausweitung des Verbreitungsgebietes (zum Beispiel Neuansiedlung der primär im Mittelmeerraum heimischen Flaum-Eiche in ganz Deutschland)

3. Einführung und forstlicher Anbau neuer Arten aus weiter entfernten Verbreitungsgebieten (zum Beispiel Anpflanzung von Baumarten aus Nordamerika in Brandenburg)

Die Assisted Migration unterstützt und beschleunigt einen Prozess, den die Baumarten zur Anpassung an die sich ändernden Standortbedingungen selbst in Angriff nehmen würden.  Die Zeit, sich selbst durch Standortverlegung anzupassen, haben sie aufgrund des rasant fortschreitenden Treibhauseffekts heutzutage jedoch nicht mehr.

In einigen Ländern wie etwa Schweden, den USA und Kanada wird diese Art der unterstützten Wanderung in ihren verschiedenen Formen bereits praktiziert. Auch in Brandenburg besteht für die Assisted Migration großes Potenzial. Vor allem vor dem Hintergrund, dass sich der Standortwandel in Brandenburg besonders schnell und deutlich vollzieht. Was sich an anderen Orten in Deutschland erst für die Zukunft abzeichnet, ist hier oft schon Realität.

Potenzial für nicht heimische Arten und Nebenbaumarten

Brandenburg hat den bisherigen Waldumbau im Land evaluiert. Hierfür sind Expert*innen anhand von ausgewählten repräsentativen Waldflächen unter anderem der Frage nachgegangen, inwieweit mit den bis dato durchgeführten waldbaulichen Maßnahmen die waldbaulichen Ziele erreicht werden konnten. Diese Ziele umfassen unter anderem eine Anpassung der Wälder an die sich verändernden Umweltbedingungen, mehr Baumartenvielfalt und die Erhöhung des Laubholzanteils.

In ihrem Abschlussbericht von 2021 kommen die Expert*innen zu dem Schluss, dass der Waldumbau aktuell noch zu häufig mit Trauben-Eichen und zu wenig mit Stiel-Eichen oder waldbaulich bislang wenig beachteten Nebenbaumarten wie beispielsweise der Birke erfolgt.

Ebenso stellen sie fest, dass auch nicht heimische Baumarten zum Gelingen des Waldumbaus beitragen können. Vor allem der nordamerikanischen Rot-Eiche wird hier großes Potenzial zugeschrieben. Sie könnte als Mischbaumart beim Waldumbau in Brandenburg von größerer Bedeutung sein. Andere Publikationen attestieren auch der nordamerikanischen Douglasie ein solches Potenzial. Hier kommt die Assisted Migration als eine Möglichkeit zur Nutzung dieses Potenzials von bisher kaum eingesetzten Nebenbaumarten und nicht heimischen Baumarten in Betracht.

Alle Möglichkeiten müssen umfassend genutzt werden

Eines wird in allen Publikationen zur Zukunft des Waldes in Brandenburg deutlich: Für einen schnellen und erfolgreichen Waldumbau müssen alle waldbaulichen, wissenschaftlichen, jagdrechtlichen sowie förderrechtlichen Potenziale umfassend genutzt und optimiert werden.

Ein wichtiger Baustein ist dabei die Information aller Beteiligten und insbesondere der Waldbewirtschafter*innen. Denn sie setzen den Waldumbau in der Praxis um und sind wirtschaftlich von seinem Gelingen abhängig. Diese Akteure müssen durch Maßnahmen wie Beratungsangebote, Schulungen und ein begleitendes Controlling bei der vielschichtigen Aufgabe unterstützt und über Möglichkeiten wie die Assisted Migration aufgeklärt werden. Nicht zuletzt müssen geeignete rechtliche Rahmenbedingungen geschaffen werden, auch und besonders hinsichtlich der Einbringung nicht heimischer Arten im Rahmen der Assisted Migration.

 

Dieser Artikel ist ein Beitrag aus dem Dossier Die Zukunft des Waldes in Brandenburg.